Freitag, 23. Dezember 2022

Verhexte Weihnacht: Kapitel 14

 

14. Kalwarions Entscheidung

Grimalda kam zu Kräften. Der erste Schock war wohl überstanden. Schade eigentlich. Sie stand, räusper, schwebte mit Kalwarion Auge in Auge. Sie machte Bewegungen, sprach Wörter die wir nicht kannten, alles sehr geheimnisvoll. Doch der gewaltige Drache ließ sich von ihr nicht mehr einwickeln
Und nun waren sie dann auch da: unsere Drachen mit ein paar ihrer Freunde. Nun ja, okay, dafür das es nur um die zwanzig an der Zahl waren, hatten sie wirklich einen Lärm veranstaltet, als fielen sie zu Hunderten hier ein. Seufz, Drachen eben. Leise gibt's bei denen nicht.
Kalwarion blickte auf. Es schien, als nehme er erst jetzt wahr, das sich hier noch andere Personen befanden außer ihm und der bösartigen, fiesen Hexe.
"WER SEID IHR UND WAS WOLLT IHR?"
Ich löste mich aus dem Händchenhalten meiner Jungs, schritt auf ihn zu und räusperte mich extrem lautstark, damit er mich hören konnte. Sein Blick fiel auf mich, und mir wurden die Knie ganz weich. Nein, um ehrlich zu sein, alles in mir wurde ganz weich, als wäre ich plötzlich aus Gummi. Aus flüssigem Gummi. Ich dachte für einen klitzekleinen Moment an eine Pfütze, zu der ich gerade würde, und hörte RedFreds gurgelndes und blubberndes Lachen. Nicht hilfreich!
"Ich möchte mich vorstellen: ich bin Rübenwolf, Rübe genannt, und ich komme aus einem kleinen Dorf namens Klein- Biberede. Das dort hinten sind meine Mitbewohner Brakalasa, Old Cowboy und Pony Winchester. Und die Drachen dort sind unsere Freunde."
"WAS WOLLT IHR?" dröhnte der riesige Drache mir entgegen, das mir glatt die Haare nach hinten wehten.
"Wenn du mich bitte aussprechen lassen würdest - danke. Ich beherrsche Drachisch. Und ich würde es dir sehr gerne in deiner Sprache erzählen."

Kalwarion zog - ja, es ist in der Tat möglich, denn ich war Zeuge! - eine Augenbraue hoch.
"HMMM," brummte er, "DAS IST SELTSAM UND SEHR KOMISCH. ABER NUN GUT. FAHRE FORT."
Ich nahm alle Kraft und allen Mut zusammen und schildete dem Urdrachen, was geschehen war. Mein geliebter Fred gesellte sich an meine Seite, auch meine Jungs traten während dieses - für sie natürlich nicht hör- oder sichtbaren - Monologes zu mir. Die anderen Drachen schlossen sich schließlich gesammelt unserer kleinen Gruppe an.
Ich hatte kaum das letzte Bild von Mirolaus gesandt, der von Grimalda in dem Kellerverlies festgehalten wurde, da wütete Kalwarion wieder gegen die Hexe:
"JETZT IST SCHLUSS MIT DEM HUMBUG! DU BIST ENTMACHTET! KEIN DRACHE SOLL JE WIEDER UNTER DIR LEIDEN!"
Er hob eine Klaue und mir schwante nichts Gutes. Mit einer schnellen Handbewegung umkrallte er die Hexe und zog sie nah an sein Gesicht. Doch so durfte, so sollte es nicht enden!
"HALT!" rief ich, so laut ich konnte.
Der gigantische Drache hielt tatsächlich inne und sah mich an. Und ja, wieder mit hochgezogener Augenbraue.
"DU WILLST DOCH WOHL DIESES VERFLUCHTE WESEN NICHT RETTEN?" peitschte er mir die Worte um die Ohren. Ich sah aus dem Augenwinkel, das es selbst den anderen Drachen in den Ohren wummerte. Die Jungs wankten, wie zuvor das Gewölbe schon erzittert war. Ich sag nur: Haare.

"Hör' mir nur einen Moment noch zu, verehrter Kalwarion, und dann entscheide selbst, was das Richtige ist. In diesem Land gibt es keine Boshaftigkeit, keinen Neid, keinen Hass, und so auch keine Rache. Wir leben seit vielen Jahrhunderten in Frieden miteinander. Ja, sicher, manche sind schon etwas fies. Doch entweder man meidet sie, oder man versucht, sie eines Besseren zu belehren. Ich meine, bösartig ist man doch nur, weil man einsam ist, weil man niemanden hat - keine Freunde, keine Familie, keinen Drachen."
"UND ICH SOLL DIESE GARSTIGE KREATUR LEBEN LASSEN, DAMIT IHR EIN REINES GEWISSEN HABT?" 
Seine Stimme, glaub' es nun oder eben nicht, klang wirklich nachdenklich. Gedanklich habe ich ihn sich am Kopf kratzen gesehen. An sich ganz witzig, diese Vorstellung.
"Ja. Du sollst sie verschonen und ihr zeigen, das jeder sich ändern kann! Ich meine, mit Verlaub, aber du warst ja nun auch nicht immer so der Kuscheldrache, der die feine Englische beherrschte, nicht wahr?" Ich entrang mir, trotz meiner Ehrfurcht, ein Lächeln.
"HMMM, DAS STIMMT WOHL..."
Ich presste mich ganz dicht an RedFred.
"Und sieh' mal: wir Menschlein und die Drachen leben Seite an Seite. In Harmonie. Und wir lieben uns! Wir sind Freunde! Meinst du nicht, das wir Grimalda verschonen sollten, um einen Neuanfang zu starten?"
Kalwarion verharrte.
"UND WAS WIRD AUS MIR? MEINST DU, MIR HAT GEFALLEN, WAS SIE DURCH MICH ANGERICHTET HAT?"
"Natürlich nicht, ehrfurchtgebietender Erzürner der uralten Zeit! Aber du könntest ihr einen besseren, einen guten Weg zeigen. Vielleicht bringt es was. Und wenn nicht, dann kannst du sie immer noch für eine Weile snoozen. Wenn sie sich beim nächsten Erwachen noch immer nicht ändern will... nun, dann machst du das eben so lange, bis es hilft."
Ich grinste schief. Und seltsamerweise - und es sah grotesk aus - zog Kalwarion die Mundwinkel ebenfalls schief.
"Und du kannst gerne jederzeit mit uns abhängen!" warf Pony mit einemmal ein, als sei er gerade eben aus seiner Schockstarre erwacht.
"ABHÄNGEN, HMMM?" brummte der riesige Drache.
"Ja, genau! Dann bist du nicht mehr allein und hast immer eine Menge Drachen um dich rum!" nickte Braka.
"ICH WOLLTE ABER IMMER ALLEIN SEIN! WAS DENKT IHR DENN, WARUM ICH MICH IN DEN ALTEN ZEITEN SCHON IMMER VON ALL DEM GESCHNATTER FERNGEHALTEN HABE? OH MANN, DIESES ENDLOSE GEQUATSCHE UND GESINGE..."
"Mag sein," warf ich ein, "aber heutzutage ist man geselliger. Sozialer. Man hängt eben einfach mal so miteinander rum. Tut auch mal ganz gut."
"NA GUT," donnerte er, schon fast freundlich, "ICH WERDE ES MIR ÜBERLEGEN. GIBT ES SONST NOCH WAS?"
"Ähm, ja, in der Tat!" trat Cowboy nun vor. "Du hast unsere ganze Deko geklaut. Die liegt oben, in diesem Speichergewölbe-Saal. Wäre echt nett, wenn du sie zurückbringen würdest."
"Und wenn du schon dabei bis, was Gutes zu tun, dann befreie doch auch Mirolaus aus seinem Kellergewölbe," ergänzte ich.
"NUN GUT. DAS GEFÄLLT MIR ZWAR ALLES NICHT, ABER WENN ICH DANN NICHT LÄNGER EUER GEPLAPPER ERTRAGEN MUSS... UND IHR WERDET MICH DANN AUCH BESTIMMT IN RUHE LASSEN?"
"Aber sicher!"
"Na klar!"
"So lange du willst!"
"Ist gebongt!" 
Kalwarion seufzte so tief, das die Drachlinge, die noch immer auf dem Boden ihre dicken Bäuchlein ausruhten, fast in seinen mächtigen Rachen gesogen worden wären. Dann schritt er zur Tat.



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