Verhexte Weihnacht: Kapitel 2

 

2. Auf der richtigen Spur

Ich hatte die Augen noch nicht ganz geöffnet und erst den ersten Schluck meines Tees geschlürft, als es - noch ehe ich in mein Käsebrot beißen konnte - schon wieder an meiner Tür klopfte.
'Also, das kann doch jetzt nicht mehr wahr sein!' fuhr es mir durch den noch schläfrigen Kopf.
Ich schlurfte zur Tür, doch ich kam gar nicht dazu, einen "guten Morgen" zu wünschen. Cowboy streckte mir mit diesen Worten seinen Strickkorb entgegen:
"Jetzt sieh' dir das mal an, Rübe! Meine ganze Wolle! Sie ist grau! Grau, grau und grau -" und er hielt mir jedes einzelne Wollknäul unter die Nase. "So kann ich doch unmöglich die Weihnachtspullover und Schals und Mützen und Socken stricken! Unmöglich! Alles grau!"
Ich seufzte und bat ihn hinein. Kaum, das ich wieder am Küchentisch saß und in meine Stulle beißen wollte, pochte es erneut an die Tür. Oh Mann!
Diesmal beehrte mich Brakalasa. Er war völlig aufgelöst:
"All meine Pilze, Rübe! Meine wunderbaren Pilze! Sie sind alle grau! Sieh' doch mal, Rübe, alle grau!"
Ich öffnete die Tür ganz und bat ihn mit einer Geste, einzutreten und in die Küche zu gehen. Du kannst es dir vielleicht denken: ich kam gar nicht dazu, die Tür zu schließen, denn schon rief Pony von Weitem:
"Rübe! Gut das du schon auf bist! Sieh' mal hier!"
Mit einer wilden Geste hielt er seine unterschiedlichen Hüte hoch, während er raschen Schrittes auf mich zulief.
"All meine Hüte! Meine Klamotten! Alles, alles ist grau geworden!"

Auch ihn bat ich, in die Küche zu gehen. Und da saßen und standen sie nun: richtig bedröppelt wirkte ein jeder von ihnen.
"Und der Nebel ist auch dichter geworden," sagte Cowboy.
"Ja, stimmt," nickte Braka. "Ging mir vorhin schon bis ans Kinn."
"Man kann seine Füße gar nicht mehr sehen," rundete Pony den Bericht ab.
"Hmm, hmm, hmmm, hmmm," murmelte ich.
Die Jungs hatten ihr Zeugs abgelegt und begannen, Frühstück aufzutischen. Cowboy briet einfach mal ein paar Spiegeleier, Braka kümmerte sich um frischen Toast und warme Brötchen, und Pony tafelte Marmelade, Honig, Butter und Käse auf. Ich kochte derweilen noch eine Kanne Tee, und dann konnte ich endlich ein paar Minuten durchatmen.

Nach dem Frühstück suchten wir unsere stärksten Lichter zusammen: Pony war äußerst bewandert in Zaubereien jeglicher Art. Sein Talent, Dinge per Geisteskraft zu manifestieren, war uns schon öfter von großem Nutzen gewesen. Braka und Cowboy griffen auf die klassische Methode zurück: sie benutzten Taschenlampen, während ich einfach eine Fackel entzündete. Und so liefen wir alle Ecken des Dorfes ab. 
Es dauerte eine ganze Weile, bis Brakalasa vom obersten Eck, von dem aus man über eine Brücke schon fast in die Stadt gelangen konnte, lautstark rief:
"Ich hab' hier was! Kommt schnell her!"

Wir nahmen die Beine in die Hand und liefen - so schnell es der Nebel zuließ - ihm entgegen. Das war gar nicht so leicht, denn die graue Suppe reichte nun schon über die Augen, und selbst unsere Lichtkegel schienen in dem Dunst zu verblassen.
"Hier, guckt mal!" Er hielt etwas leicht Glitzerndes in der Hand. Es war klein und sehr hart.
"Das sieht aus wie eine Drachenschuppe," sagte ich nachdenklich. Ich drehte das kleine Etwas hin und her, hielt es hoch und gegen das Licht. "So eine Schuppe habe ich noch nie gesehen! Mal schauen, vielleicht kann RedFred uns weiterhelfen, immerhin ist er hier der Älteste."
 Mein Drache beäugte die Schuppe sorgfältig. Als er sie mir zurückgab, war sein Blick finster und mit einem angstvollen Glimmen in den Augen. Er quakte und gurrte, und als er geendet hatte, musste ich hart schlucken. Das klang ja mal gar nicht gut!
"Was hat er gesagt?" fragte Braka aufgeregt. 
"Das klang nicht so prickelnd," flüsterte Pony ehrfurchtsvoll.

"Ich muss mich erstmal setzen, und dann werde ich euch erzählen, was Fred mir gesagt hat."