Donnerstag, 15. Dezember 2022

Verhexte Weihnacht: Kapitel 6

 


6. Man sieht ein Anwesen...

"In der Greifenschlucht gibt es einen kleinen Ort, genauer gesagt ein Anwesen, das nicht von diesem gruseligen Nebel umgeben ist. Dies könnte der Ausgangspunkt für all das Tohuwabohu sein."
So klar diese Aussage war, so unklar war, wie es nun weitergehen sollte. Auf einer weiteren Versammlung (diesmal mit weniger drachischen Abgesandten, da sich eine Menge örtlicher Reporter eingefunden hatte) entschieden wir, das alle vier unseres Dorfes mit unseren Drachen das seltsame Anwesen genauer unter die Lupe nehmen sollten. Immerhin hatten wir das alles angeleiert, also war es nur fair, wenn wir auch weiterhin mitmischen würden.

Wir bereiteten uns jeder sorgfältig auf alle möglichen Eventualitäten vor: Pony packte seinen Zauberbesen Rowena ein, Brakalasa klaubte so viele Pülverchen und Mixturen zusammen, wie seine Tasche tragen konnte, und Cowboy steckte sein Buch über die kleine und große Pflanzenkunde ein. Ich selber ging nochmal in mich, sammelte mich, und hoffte, das ich meine Gabe der Beherrschung der drachischen Empathie und Sprache würde anwenden können. 


Und dann ging's los! Wir sattelten die Drachen - sinnbildlich - und erhoben uns in die dunstigen, undurchdringlichen Lüfte. Es war bereits wieder dunkel, doch auch wenn man den Blick gen Himmel hob, konnte man außer dieser zähfließenden, gräulichen Masse nichts erkennen: keinen sanft lächelnden Mond und kein noch so kleines, funkelndes Sternchen. Sehnsüchtig sah ich nach unten, während RedFred sich seicht und elegant höher und höher erhob. Da lag es, unser kleines Dörfchen: eingebettet in das einst satte und saftige Grün des wunderschönen, miramagischen Landes, umringt von herrlich-aromatisch duftenden Bäumen. Ich bekam Wasser hinter die nichtvorhandene Brille, als ich es so farb- und trostlos, so dunkel und einsam dort liegen sah. Ach Mensch... Ich hoffte inniglich, das unsere Reise, wo immer sie uns hinführen würde, erfolgreich enden möge.
Es dauerte eine ganze Weile, bis wir - mit großer Anstrengung unserer Sehkraft - das seltsam anmutende Bauwerk erspähten, das sich tatsächlich auf einem Stückchen Land befand, das nicht von Nebel umringt war. Es wäre ja wohl ein zu großer Zufall, wenn dies hier nicht die Quelle all dieser Tristesse wäre! Und an sowas glaube ich ja nicht. Zufall, pah!


In gebührendem Abstand zum Anwesen landeten unsere vier geflügelten Freunde. Wir wollten ja nicht gleich mit dem Holzhammer kommen und unnötig auf uns aufmerksam machen! Denn wer wusste schon, welche Mächte hier am Werke waren? Und so war es auch Zeit, uns von unseren Drachen zu verabschieden. Sie würden warten, jeder an einer Seite des enormen und Respekt einflößenden Hauses. Sofern man hier noch von einem Haus sprechen konnte, denn alles in allem wirkte es eher wie ein düsteres, ja geradezu grimmiges Schloss: eine riesenhafte Villa baute sich vor uns auf, eingebettet in dunkles, fast farbloses Gras, flankiert von vereinzelt stehenden, knorrigen, verwitterten Bäumen. Es wirkte so trostlos wie all unsere Dörfer derzeit, und ließ in mir ein äußerst mulmiges Gefühl aufkommen.
"Sollen wir?" fragte Braka leise.

Wir anderen nickten nur. Ein letzter tiefer Atemzug, und wir liefen auf den Eingang zu.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts

🤩 Wow! 👏 Danke für deinen Kommentar! 🥰